Kein Zurück für Sophie W.

CoverFremd kommt dem Leser das Leben im Berner Oberland im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vor, in das Sophie, die innerhalb der Familie lange verschwiegene Großtante der Autorin, hineingeboren wird. Beinahe unbegreiflich scheinen die totale Abhängigkeit der Frau vom Mann, die Ehe als höchster Lebenssinn und das erbarmungslose Ahnden eines jeden Verstoßes gegen Sitte und Moral.

Als Sophie, die eine glückliche Kindheit erlebt und dann als Frau des Oberlehrers und Bäckereibesitzers Göpf von Grünigen dessen Geschäft führt und drei eigene sowie zwei angenommene Kinder großzieht, dabei gesehen wird, wie sie in einem Moment der Schwäche einen ihrer Angestellten, den Bäcker Walder, küsst, schlägt das System der dörflichen Moral unbarmherzig zu: Die Nachbarn meiden sie, der Mann reicht die Scheidung ein und auch bei ihren Schwestern ist sie nicht mehr willkommen, da deren Männer um ihren Ruf fürchten. Unfreiwillig muss sie ihre geliebten Schweizer Berge und ihre fast erwachsenen Kinder verlassen und nach Amerika reisen.

Dort angekommen, wird ihr die Einreise erst erlaubt, nachdem sie Walder im Schnellverfahren bei der Einwanderungsbehörde heiratet, obwohl sie diesen eigentlich gar nicht liebt. Was folgt, ist ein Leben voller Heimweh, harter Arbeit und missglückter Rückkehrversuche. Hinzu kommt, dass sie sich für den Rest ihres Lebens als Mutter des unehelichen Sohnes ihrer Tochter ausgeben muss, damit diese eine Chance auf ein normales Leben hat.

Das persönliche Schicksal der Sophie, das von der Autorin auf bemerkenswerte Weise rekonstruiert wird, spielt sich vor dem Hintergrund der weltpolitischen Ereignisse jener Zeit ab. Besonders interessant ist die Schilderung der gezwungenen kulturellen Assimilierung der deutschsprachigen Einwanderer während des Ersten Weltkrieges, die sich nicht nur durch die Aufgabe ihrer Sprache als echte Amerikaner beweisen müssen, sondern auch dadurch, dass sie ihre Söhne gegen die alte Heimat in den Kampf schicken. Allein schon die gelungene Darstellung dieser Thematik macht die Lektüre dieses überaus lesenswerten Romans lohnend.

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