Die angebliche Abstimmung zur offiziellen Sprache der USA

Stimmt es, dass Deutsch um ein Haar Amtssprache in den USA geworden wäre?

Dass Deutsch beinahe die offizielle Sprache der USA geworden wäre, stimmt nicht. Diese weitverbreitete Annahme wird immer wieder mit Hinweis auf eine Abstimmung im US-Kongress geäußert, wonach die deutsche Sprache angeblich mit einer Stimme Unterschied der englischen Sprache unterlag. Diese Abstimmung gab es aber so nicht.

Vielmehr wurde im US-Repräsentantenhaus am 13. Januar 1795 ein Gesetzesvorschlag eingebracht, der lediglich vorsah, alle Bundesgesetze auch auf Deutsch zu drucken, damit die vielen deutschen Auswanderer, die noch nicht richtig Englisch gelernt hatten, diese ohne Weiteres lesen konnten. Während der Debatte gab es (wohl aus Zeitgründen) den Antrag, die Angelegenheit zu einem späteren Zeitpunkt weiter zu diskutieren. Dieser Vorschlag unterlag jedoch mit einer Stimme. Damit war die Debatte zu diesem Thema beendet. Einen Monat später wurde der Gesetzesentwurf dann in der eigentlichen Abstimmung endgültig abgewiesen.

Die Eine-Stimme-Unterschied-Legende (oft auch Mühlenberg-Legende genannt, da der Deutschamerikaner Frederick Muhlenberg dem Vorschlag seine Unterstützung verwehrt hatte) baut also auf der oben genannten Abstimmung zur weiteren Behandlung des Themas auf. Besonders die zahlreichen deutschen Einwanderer, die sich sprachlich benachteiligt sahen, haben die Angelegenheit aufgebauscht und die Geschichte ein wenig anders wiedergegeben.

Bemerkenswert: Die Unabhängigkeitserklärung der USA gab es zuerst auf Deutsch

Bemerkenswert ist aber, dass das amerikanische Volk die Unabhängigkeitserklärung zuerst in deutscher Sprache lesen konnte. Am 4. Juli 1776 unterschrieb John Hancock, Präsident des in Philadelphia tagenden Kontinentalkongresses, die Declaration of Independence. Am 5. Juli war die deutschsprachige Zeitung Pennsylvanischer Staatsbote die erste amerikanische Zeitung, die davon berichtete. Auch der erste Abdruck der Erklärung für die Bevölkerung erfolgte auf Deutsch, denn obwohl John Dunlap die englische Originalfassung der Unabhängigkeitserklärung am Abend des 4. Juli für die Teilnehmer des Kongresses druckte, war der deutschsprachige Druck von Steiner und Cist am 5. oder 6. Juli in Philadelphia der erste Abdruck für die Bevölkerung. Die Zeitung Pennsylvania Evening Post veröffentlichte den englischen Originaltext erst später am 6. Juli, da es sich um eine Abendzeitung handelte.

Obwohl die USA bis heute keine offizielle Landessprache haben, nimmt Englisch in der Praxis zweifellos diese Rolle ein. In 27 Bundesstaaten wurde es mittlerweile zur Amtssprache erklärt. Einige Bundesstaaten veröffentlichen aber offizielle Dokumente zusätzlich zum Englischen noch in einer weiteren Sprache, nämlich Hawaii auf Hawaiisch, Louisiana auf Französisch und New Mexico auf Spanisch. In Arizona müssen Wahldokumente im Gebiet der Navajo-Indianer in deren Sprache veröffentlicht werden. In den anderen Indianerreservaten werden die jeweiligen Sprachen in den meisten Fällen ebenfalls mehr oder weniger offiziell gebraucht.

Sprachenvielfalt in den Vereinigten Staaten - Aber keine offizielle Landessprache

In den USA werden mehr als 350 Sprachen gesprochen, von denen 151 auf die Ureinwohner des Gebietes der heutigen USA entfallen. Navaho ist die am meisten gesprochene indianische Sprache mit mehr als 160.000 Muttersprachlern in Arizona, New Mexico und Utah. 20.000 Menschen in Alaska sprechen Yupik. Dakota wird von 18.000 Menschen in North Dakota und South Dakota gesprochen. Apache wird noch von 13.000 Menschen als Muttersprache verwendet, vor allem in Arizona und New Mexico. Viele der Sprachen sind, wie 52 Indianersprachen vor ihnen, vom Aussterben bedroht, denn in den USA dominieren seit Langem die Sprachen der Einwanderer.

Laut American Community Survey aus dem Jahr 2016 sprachen 235,5 Millionen Menschen, die älter als fünf Jahre alt waren, Englisch als Muttersprache, 39 Millionen Spanisch, 3,2 Millionen Chinesisch, 2 Millionen Französisch bzw. Französisch-Kreolisch, 1,7 Millionen Tagalog, 1,5 Millionen Vietnamesisch, 1,1 Millionen Koreanisch, 1,1 Millionen Arabisch, 964.000 Deutsch, 900.000 Russisch, 738.000 Hindi, 699.000 Portugiesisch, 635.000 Italienisch, 541.000 Polnisch, 453.000 Japanisch, 449.000 Urdu, 411.000 Persisch, 395.000 Gujarati und 322.000 Telugu.

Berechnungen sagen übrigens voraus, dass im Jahr 2050 mehr als 140 Millionen Hispanics in den USA leben werden. Damit wird beinahe ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung Spanisch als Muttersprache sprechen. Schon jetzt werden Formulare zunehmend zweisprachig gedruckt, und wenn man bei einer Bank anruft oder Geld am Automaten abhebt, hat man meistens die Wahl zwischen Englisch und Spanisch. Die Zahl der Zeitschriften, Radio- und Fernsehsender in spanischer Sprache nimmt ebenfalls stark zu.

Hin und wieder kann man auch in den englischsprachigen Medien Werbung auf Spanisch sehen. In amerikanischen Baumärkten wie Home Depot und Lowe's ist grundsätzlich alles auf Englisch und Spanisch ausgeschildert, was sicher auch damit zu tun hat, dass viele Handwerker Spanisch sprechen.

Auswanderer-KrimisÜber den Autor dieses Artikels:

Kai Blum lebt seit 1994 in den USA und hat u.a. mehrere historische Kriminalromane zum Thema deutsche Auswanderer in Amerika geschrieben, die viel Lob erhielten:

"Die Seiten fliegen nur so dahin" (Die Liebe zu den Büchern)

"Kurzweilig, spannend und sehr informativ" (Histo-Couch.de)

"Sehr vielschichtig und unglaublich spannend" (Stephis Bücher Blog)

Mehr dazu auf www.kaiblum.com